Zur Erinnerung: Zwei Rufmorde in Bremen

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Rita Mohr-Lüllmann wurde im Oktober 2012 seitens der Bremer CDU und Martin Korol im Februar 2013 durch die SPD durch einen Rufmord weggemobbt.

Seitdem ist viel Wasser die Weser hinuntergeflossen. Ist das noch von Belang?

Zur Erinnerung: Rita Mohr-Lüllmann wurde im Oktober 2012 seitens der Bremer CDU durch einen Rufmord weggemobbt, ich im Februar 2013 durch die SPD. Über das „Fall Mohr-Lüllmann“ schrieb am 28.10.2012 die ZEIT:

Hintergrund der Querelen ist die Auseinandersetzung um die Kandidatur zur Bundestagswahl 2013. Neben der Landesvorsitzenden hatte auch der Bremerhavener Kreisvorsitzende Michael Teiser seine Bewerbung um den Spitzenplatz auf der Bremer Liste angekündigt. Mohr-Lüllmann soll im Beisein von Abgeordneten von „kriminellen Machenschaften“ in der Bremerhavener CDU gesprochen haben. Sie bestreitet das, eine damals anwesende SPD-Politikerin bestätigte es aber.

Wir lesen tatsächlich den letzten Sachstand vor dem Rauswurf: „Der Vorwurf: Mohr-Lüllmann soll [!] im Beisein von Abgeordneten von „kriminellen Machenschaften“ [!] in der Bremerhavener CDU gesprochen haben. Sie bestreitet das, eine damals anwesende SPD-Politikerin bestätigte es aber.“

Und, meine Frage: Was wäre so schlimm daran, wenn es so wäre? Vor allem: Wer hatte denn nun Recht? In dubio pro reo? Das zählt nicht in der Politik. All das ist in solchen Fällen egal. Da geht es nicht um Wahrheit und Relevanz, sondern um Macht. Das eben nennt man „Rufmord“ und der kommt in der Politik häufiger vor, als der brave Bürger sich das vorzustellen vermag.

Martin Korol wiederum wurde dem staunenden Volke als „Rassist in der Nachfolge Heinrich Himmlers“ und als „Frauenfeind“ präsentiert. Benno Schirrmeister von der taz Bremen übernahm für die SPD diesen Job. Sein Artikel in der taz am 21.02.2013 war betitelt mit dem Hinweis: „Rassismus in Bremen. SPD-Abgeordneter hetzt gegen Roma.“ Radio Bremen, Weser-Kurier und andere Blätter stimmten in den Chor mit ein.

Was hatte ich verbrochen? Nichts. Ich war nur zu eigensinnig und zu aktiv, genau wie Rita Mohr-Lüllmann auch.

Aber, Frage, ist das heute noch von Bedeutung?

Moralisch gesehen immer! Eine politische Partei, die sich unbequemer Mitglieder durch Rufmord entledigt, wie es Rita Mohr-Lüllmann im Oktober 2012 seitens der Bremer CDU und mir selber im Februar 2013 durch die SPD widerfuhr, hat alle moralische Integrität und jeden Anspruch auf Führung verloren.

Jedenfalls ist das in einer Demokratie so.

Wir leben ja nicht in einer Diktatur wie seinerzeit, als in Deutschland die Nazis herrschten. Der sog. Röhm-Putsch ist wohl der bekannteste Versuch Hitlers, sich innerparteilicher Konkurrenz zu erwehren: Ende Juni/Anfang Juli 1934 ließ er die Führungskräfte der SA einschließlich des Stabschefs Ernst Röhm ermorden und weitere Menschen, die es zufällig traf oder die bei der Gelegenheit gleich mit erledigt wurden.

Dasselbe im Kommunismus. Man denke nur an die Moskauer Schauprozesse: Auf Geheiß Stalins wurden in den vier Schauprozessen 1936 bis 1938 hohe Partei- und Staatsfunktionäre wegen angeblicher terroristischer staatsfeindlicher Aktivitäten angeklagt. Gegen 50 der insgesamt 66 Angeklagten wurde die Todesstrafe verhängt und vollstreckt. Die übrigen 16 wurden zu Freiheitsstrafen verurteilt.

So gesehen, können Rita Mohr-Lüllmann und ich nur froh sein. Wir beide sind da ja lebend rausgekommen. Es waren ja nur Rufmorde, denen wir beide zum Opfer fielen. Zudem könnte man sagen: Die beiden Fälle „Rita Mohr-Lüllmann“ und „Martin Korol“ sind ja eigentlich längst Schnee von gestern. Also, was soll’s?!

Das sehe ich anders. Ich meine schon, dass beide Rufmorde noch nachwirken. Ich rede jetzt nicht von mir und meiner Wut und meinem Zorn auf meine Genossinnen und Genossen, dass sie mich so schäbig behandelt haben und es sogar noch vereinzelt immer noch tun. Nein, es geht um mehr.

Ich vermute nämlich, dass es falsch wäre zu glauben, diese beiden Fälle hätten nichts mit dem historisch einmaligen Absturz der beiden großen Volksparteien zu tun, der ja kurz danach eintrat in einem Ausmaß, das es seit 1949 nicht gegeben hat. Vielleicht registriert der Bürger mehr, als der Politiker hofft. Vielleicht fühlte der Bürger: Diese Granden der Parteien, diese Funktionäre, diese Berufspolitiker auf Kosten des Bürgers, sie waren und sie sind hier wie dort und im Grunde wohl schon seit Längerem nicht nur gegenüber diesen beiden Parteimitgliedern Rita Mohr-Lüllmann und Martin Korol so fies. In Fällen wie diesen zeigt sich nur deren Fiesität. Die mobben jeden weg, der ihnen in die Quere kommt. Die würden mich, denkt der Bürger womöglich, auch nicht besser behandeln, wäre ich da Mitglied, und würde ich darauf bestehen, in wichtigen Fragen kein Parteisoldat zu sein. Es heißt, gehorsam zu sein. Sie nennen es „solidarisch“ oder „loyal“. Dieser Missbrauch von Begriffen prägt die aktuell herrschende Politik wie nie seit 1949.

Es könnte ja sein, dass dieser oder jener Bürger so denkt und dann nicht mehr zur Wahl geht oder zum Wutbürger und zum Protestwähler wird.

Ich meine: Wer so denkt, hat gar nicht so unrecht.

Martin Korol, Bremen

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