Meinungsfreiheit in und um Bremen
Wir sind es gewohnt, in unserer Umgebung unsere Meinung zu sagen – in der Familie, den Nachbarn und Freunden gegenüber und auch im größeren Kreise. Wir halten es auch für selbstverständlich, dass wir mit unserer Meinung in der Öffentlichkeit nicht hinter dem Berg halten, sondern sie auch publizieren können, ohne dass man uns deswegen bestraft. Wir stehen in einer guten Tradition: Wie Wikipedia[1] zu entnehmen ist, wurde die Meinungsfreiheit bereits 1789 in Art. 11 der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte in Frankreich[2] als „eines der kostbarsten Rechte des Menschen“ bezeichnet. Einige hochrangige Paragrafen stehen auf unserer Seite: Die UN garantieren die Meinungsfreiheit in Art. 19 der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“, der Europarat im Art. 10 der „Europäischen Menschenrechtskonvention“, die Europäische Union im Art. 11 der „Charta der Grundrechte“.
Gegen die Diktatur der Nazis 1933-45 wurde am 8. Mai 1949 für die entstehende Bundesrepublik Deutschland eine vorläufige Verfassung, ein Grundgesetz verkündet, dessen Art. 5 lautet:
- (1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
- (2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
- (3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
Das sind Forderungen, die scheinbar selbst verständlich sind. Die Wirklichkeit sieht häufig anders aus. Auch das skizziert Wikipedia mit einem wunderbaren Hinweis. Dort heißt es:
Faktische Schranken
In einer noch nicht überholten Weise beschrieb Alexis de Tocqueville im Jahre 1835 am Beispiel Nordamerikas die Schranken, die der Meinungsfreiheit in der Demokratie durch das (heute so genannte) Gebot der „political correctness“ gezogen sind:
Die Mehrheit umspannt … das Denken mit einem erschreckenden Ring. Innerhalb dessen Begrenzung ist der Schriftsteller frei; aber wehe ihm, wenn er ihn durchbricht. Zwar hat er kein Ketzergericht zu fürchten, aber er ist allen möglichen Verdrießlichkeiten und täglichen Verfolgungen ausgesetzt. Die politische Laufbahn ist ihm verschlossen … Man verweigert ihm alles, selbst den Ruhm… Der Herrscher sagt nicht mehr: entweder du denkst wie ich oder du bist des Todes; er sagt: du bist frei, nicht so zu denken wie ich; du behältst dein Leben, deinen Besitz, alles; aber von dem Tage an bist du unter uns ein Fremdling. Du behältst deine Vorrechte in der bürgerlichen Gesellschaft, aber sie nützen dir nichts mehr; denn bewirbst du dich um die Stimme deiner Mitbürger, so werden sie dir diese nicht geben, und begehrst du bloß ihre Achtung, so werden sie tun, als ob sie dir auch diese verweigerten. Du bleibst unter den Menschen, aber du büßest deine Ansprüche auf Menschlichkeit ein. Näherst du dich deinen Mitmenschen, werden sie dich wie ein unreines Wesen fliehen; und selbst die an deine Unschuld glauben, werden dich verlassen, denn auch sie würden gemieden. Ziehe hin in Frieden, ich lasse dir das Leben, es wird aber für dich schlimmer sein als der Tod.
In diesem Sinne setzt sich unsere Gruppe „Artikel 5 Grundgesetz“ für den Schutz der Meinungsfreiheit ein und weist in Versammlungen, Briefen, Kommentaren und Lesermeinungen daraufhin, wenn eines oder mehrere unserer Mitglieder der Ansicht sind, dass andere Menschen – Journalisten, Autoren, Politiker, Beamte, Geschäftsleute oder wer auch immer – diese Meinungsfreiheit einengen, beschneiden oder abschaffen wollen, und sei es nur in bestimmten Bereichen.
Viele unserer Mitglieder beschäftigen sich schon zum Teil seit Jahren mit Vorfällen, Ereignissen und Bereichen, über die zu berichten häufig nicht dem Geist der Zeit entspricht. Keiner von uns erhebt den Anspruch, die Wahrheit zu kennen, aber wir wollen unsere Einsichten und Meinungen im Sinne des Artikels 5 Grundgesetz vortragen und zur Diskussion stellen dürfen. Wir lehnen jede Art von Dogmatik ab. Fragen zu stellen scheint uns die glücklichste Art zu sein, mit anderen und Andersdenkenden ins Gespräch zu kommen.
Wir folgen damit auch einem Aufruf von Bertolt Brecht, dessen Gedicht „Fragen eines lesenden Arbeiters“[3] folgendermaßen lautet:
Wer baute das siebentorige Theben?
In den Büchern stehen die Namen von Königen.
Haben die Könige die Felsbrocken herbeigeschleppt?
Und das mehrmals zerstörte Babylon –
Wer baute es so viele Male auf? In welchen Häusern
Des goldstrahlenden Lima wohnten die Bauleute?
Wohin gingen an dem Abend, wo die Chinesische Mauer fertig war
Die Maurer? Das große Rom
Ist voll von Triumphbögen. Wer errichtete sie? Über wen
Triumphierten die Cäsaren? Hatte das vielbesungene Byzanz
Nur Paläste für seine Bewohner? Selbst in dem sagenhaften Atlantis
Brüllten in der Nacht, wo das Meer es verschlang
Die Ersaufenden nach ihren Sklaven.
Der junge Alexander eroberte Indien.
Er allein?
Cäsar schlug die Gallier.
Hatte er nicht wenigstens einen Koch bei sich?
Philipp von Spanien weinte, als seine Flotte
Untergegangen war. Weinte sonst niemand?
Friedrich der Zweite siegte im Siebenjährigen Krieg. Wer
Siegte außer ihm?
Jede Seite ein Sieg.
Wer kochte den Siegesschmaus?
Alle zehn Jahre ein großer Mann.
Wer bezahlte die Spesen?
So viele Berichte.
So viele Fragen.
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Meinungsfreiheit
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Erklärung_der_Menschen-_und_Bürgerrechte
[3] Bertholt Brecht (1898-1956): Fragen eines lesenden Arbeiters (verfaßt 1935)