Über Demos gegen „Rechts“

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Von MARTIN KOROL

Am 16. Juni und am 1. Juli 2018 demonstrierten aufgebrachte Bürgerinnen und Bürger in Bremen Walle gegen die Einrichtung eines AfD-Büros in der Helgolander Straße. Eine Demonstration von vielen gegen die AfD. Ganz legal, gemäß Art. 8 GG. Demonstrationen gab es schon immer, in Deutschland beginnend mit den Bauernaufständen gegen den Adel 1523-1525, in den sog. „Befreiungskriegen“ gegen die napoleonische Besatzungspolitik und in der bürgerlichen Revolution von 1848. Stets waren es Intellektuelle und Kanzelprediger, die die Menschen aufriefen, gegen die Herrschenden zu demonstrieren oder gar zu den Waffen zu greifen. Die Aufrufe zum Krieg 1914 und 1939 waren keine Demonstrationen, sondern Aufmärsche. 1968 erblühte die Kultur der Demonstrationen wie nie zuvor. Auch in Deutschland, auch in Bremen. In der Ära Kohl war eher Pause. Spätestens seit Pegida und der AfD gehen die Jugend und die Altachtundsechziger wieder auf die Straße. Massenhaft. Sie protestieren und demonstrieren „Gegen rechts!“, gegen sogenannte „Diskriminierungen“ und gegen irgendwelche „-Ismen“, deren Bedeutung mir jedenfalls völlig unklar ist. Ich frage nach: Was soll das sein: „Rechts“, „Faschismus“, „Nazis“; „antimuslimischer Rassismus“, „Sexismus“ und derlei Wortungetüme? Ich habe Latein gelernt und kenne mich ein wenig in der Geschichte aus, aber das sind weder Vokabeln noch brauchbare Begriffe. Es sind Schlagworte im schlechten Sinne. Sie sollen Demonstrationen einen Namen geben, wobei es, so mein Eindruck, in erster Linie darum geht, die eigene Macht zu demonstrieren. Das sind, so meine ich, keine Demonstrationen mehr im Sinne des Art. 8 GG, sondern Aufmärsche zugunsten der herrschenden Parteien. Wie das ansonsten nur in Diktaturen der Fall ist. Anders sind sogenannte „Gegendemonstrationen“ gar nicht erklärbar.

Mathias Greffrath, geb. 1945, ist ein renommierter deutscher Schriftsteller und Journalist. 2014. Er erhielt u.a. den Otto Brenner Preis „Spezial“ für sein journalistisches Lebenswerk. Am 17.10.2018 erschien von ihm ein Artikel in der taz. Titel: „Wir müssen die Eliten erobern.“ Wir finden ihn lesenswert. Darin lässt sich Greffrath genau über diese Frage aus: Wie edel sind die Motive vieler Demonstranten? Hier ist der Link dazu.

Ich schrieb einen Kommentar dazu. Er war auch am nächsten Tag nicht freigeschaltet. So schrieb ich einen zweiten Kommentar. Just nach dessen Absenden wurde Kommentar Nr. 1 freigeschaltet. Hier sind beide Kommentare:

Kommentar Nr. 1 – Freigeschaltet

MARTIN KOROL, Mittwoch, 16:52

1a! Der gute alte Mathias Grefrath bringt es wieder einmal auf den Punkt. Ganz in der Tradition des noch älteren Immanuel Kant (1724-1804), der da sagte: „Die Frage, ob der Himmel nicht günstiger für uns würde gesorgt haben, wenn er uns alles schon bereitet hätte vorfinden lassen, so daß wir gar nicht arbeiten dürften, ist gewiß mit Nein zu beantworten; denn der Mensch verlangt Geschäfte, auch solche, die einen gewissen Zwang mit sich führen.“ Noch deutlicher wird Kant mit einem weiteren Hinweis, wenn er sagt: „Faulheit und Feigheit sind die Ursachen, warum ein so großer Teil der Menschen, nachdem sie die Natur längst von fremder Leitung freigesprochen, dennoch gern zeitlebens unmündig bleiben und warum es anderen so leicht wird, sich zu deren Vormündern aufzuwerfen. Es ist so bequem, unmündig zu sein.“ Dieser Hinweis dürfte für viele Demonstranten gelten, unter welchem Banner sie auch immer sich zur Demo einfinden und da mitmarschieren mögen. Eher mitsegeln. Sie halten ihr Handeln für politisch, empfinden Politik aber eher als „schmutziges Geschäft“, über das sie gerne herziehen und das sie lieber meiden. Aus Feigheit und Faulheit. Dabei ist Politik in erster Linie harte Arbeit, wie Boxen ohne Ringrichter, und ebenso gewiss auch eine Kunst, die es allemal lohnt zu lernen. Mit dem Posten als Klassensprecher fängt es an.

Ich sage also: Ran Ihr Demonstranten an den Speck und rein in die Parteien!

Martin Korol, Bremen

Kommentar Nr. 2 –  Nicht freigeschaltet

Mathias Greffrath schreibt u.a.: „100 Jahre nach der Erkämpfung der repräsentativen Demokratie sind nicht ausreichend viele Bürger bereit, für ein Durchbrechen der Mauer zwischen Bürgerwillen und seinen Repräsentanten ein Opfer auf sich zu nehmen: das Opfer an Lebenszeit. Unsere Erkenntnis, unser Gewissen nötigen uns zu politischer Aktivität über ‚Kundgebungen‘ hinaus.“

Stimmt. Viel zu viele Institutionen und Politiker repräsentieren weniger denn je nach 1949 das Volk. Zunehmend. Warum? Viele Gründe. Einer davon: Beamtentum und Politik haben sich eingerichtet. Sie kümmern sich zunehmend um sich selbst. Motto: „Ran an die Krippe, bevor es zu spät ist.“ Das Rad dreht sich ja immer schneller. Ein zweiter: Tatsächlich sind zu wenige Bürger* bereit, für ihre demonstrativ vorgetragenen Ideale das notwendige „Opfer an Lebenszeit“ zu bringen und in die Politik einzusteigen. Dafür gibt es nur selten Gründe, eher nur Rechtfertigungen und Ausreden. Weil sich dadurch strukturell im „Staate Dänemark“ nichts ändert, kann man noch mehr demonstrieren. Aber das bringt nichts, nicht einmal dem Demonstranten selbst. Denn wie Immanuel Kant (1724-1804) schon sagte: „Wer nicht arbeitet, verschmachtet vor Langeweile und ist allenfalls vor Ergötzlichkeit betäubt und erschöpft, niemals aber erquickt und befriedigt.“

Ergo: Ran an die politische Arbeit! Macht Euch die Hände schmutzig. Nur das ändert die Verhältnisse und lässt uns zufriedene Menschen werden.

Martin Korol, Bremen